Einsatz von Wasserstoff in Sachsen – Liebscher: Wenn wir Wasserstoff nutzen wollen, müssen wir den Ausbau erneuerbarer Energien intensivieren

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,

Wasserstoff wird unser Energiesystem der Zukunft signifikant mittragen – und auch punktuell das Transportwesen speisen. Ich begrüße daher das lebendige Interesse unserer Koalitionspartner, in diesem Bereich voranzugehen und vor allem ihr klares Bekenntnis zur umweltfreundlichen Verkehrswende!

„Umweltfreundliche“ Verkehrsmittel sind in erster Linie vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie die Umwelt und das Klima schützen, meine Damen und Herren. Nur grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, ist wirklich klimaneutral und garantiert Nullemissionen. Die Rechnung ist also einfach: Wer in Sachsen Wasserstoff nutzen möchte, der muss den Ausbau erneuerbarer Energien in Sachsen besonders stark intensivieren.

„Wasserstoff ist der Champagner der Energiewende.“ Dieses geflügelte Wort verdeutlicht ganz klar: Wasserstoff ist rar, konstenintensiv in der Gewinnung und sollte daher in Maßen statt in Massen eingesetzt werden. Der Einsatz von Wasserstoff ist also ein notwendiges Systemelement der Energiewende, sollte aber sehr bewusst vorgenommen werden.

Die gesellschaftliche Entscheidung für das Ziel der Klimaneutralität heißt NULL CO2-Ausstoß, auch in Sektoren, in denen bisher keine klimaneutrale Produktion stattfindet. Dieses Ziel verlangt daher sehr klare Entscheidungen, welche Leistungen fossiler Energieträger wir durch Wasserstoff ersetzen müssen. Wir können heute sehr genau eingrenzen, wo Wasserstoff in naher Zukunft als Energielieferant unverzichtbar sein wird, da dort die direkte Strom- und damit Energieversorgung nach heutiger Sicht noch nicht gewährleistet werden kann. Ich denke hier vor allem an Industrieprozesse, an Stahlproduktion, an die Hochseeschifffahrt oder den Flugverkehr. Wasserstoff wird seine Rolle im Transport spielen, aber dort aller Wahrscheinlichkeit nach vor allem im Langstrecken-Güterverkehr, zum Schwerlasttransport.

Der Wasserstoff zum Antrieb von Bussen wird dreimal teurer sein als der grüne Strom für Batteriebusse. Auf der Suche nach einer ökonomisch sinnvollen Antriebstechnik setzen wir auf Elektrifizierung und Sektorenkopplung sowie den entsprechenden Streckenausbau. Auch die Batteriekosten fallen, der Strom wird hier direkt eingesetzt. Für die Gewinnung von Wasserstoff rechnen wir hingegen mit Energieverlusten, wodurch erheblich höhere Kosten entstehen. Im regulären Verkehr wird Wasserstoff entsprechend aufgezeigter Punkte keine große Rolle spielen können. Ähnlich sieht das im Übrigen auch die Automobilindustrie, deren Technologieentscheidung zugunsten des Elektroantriebs gefallen ist.

Wir brauchen strukturelle Veränderung im Verkehrsbereich. Die Erzählung vom Wasserstoff darf keine Fiktion aufbauen, alles bliebe beim Alten und wir ersetzen einfach fossile Energieträger durch Wasserstoff.

Meine Damen und Herren, diese politische Erzählung wäre nicht haltbar.

Denn erstens werden wir auch bei der Wasserstofftechnologie einen Technologiewechsel haben, hin zur Brennstoffzelle. Und zweitens ist der Einsatz von Wasserstoff im Verkehr nicht die ökonomisch sinnvollste Lösung. Diese politische Erzählung kostet uns daher wertvolle Jahre oder Jahrzehnte der Transformation im Verkehrsbereich. Wir müssen alle miteinander anerkennen, dass uns für die Mobilitätswende tiefgreifendere Veränderungen bevorstehen. Veränderung in der Automobilindustrie, der öffentlichen Infrastruktur und Veränderungen im individuellen Mobilitätsverhalten.

Diese Transformationen müssen wir jetzt entschieden angehen, gemeinsam mit der Wirtschaft, den Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern. Wir dürfen die Verkehrswende nicht durch die Illusion des „Weiter so mit Wasserstoff“ verzögern. Die Sektoren, die klimaneutral umgebaut werden können, sind nicht der beste Einsatzzweck für dieses knappe Gut. Wasserstoff ist einfach zu wertvoll für den Straßenverkehr.

 

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

ich halte es für ökonomisch rational und ökologisch geboten, all unsere künftig verfügbare Energie gezielt und sparsam einzusetzen. Ich persönlich würde daher nicht für den regulären Straßenverkehr auf den Energieträger mit hohen Wandlungsverlusten setzen.

Sicher ist aber: Energieverfügbarkeit und Wasserstoffherstellung für Industrieprozesse werden als Standortfaktoren für Sachsen ausschlaggebend sein. Um das Desiderat vom Wasserstoffeinsatz zu erreichen, muss eine Sächsische Wasserstoffstrategie darauf ausgerichtet sein, die Produktionskosten für grünen Wasserstoff zu senken. Unsere Ausbauziele im Bereich Wind- und Solarenergie müssten zur Versorgung mit Wasserstoff ganz erheblich zunehmen.

Wir können hier in Sachsen auf viel Bestehendes aufbauen: Wir haben hier exzellente Forschungseinrichtungen, die auch im Bereich der Elektrolyseure führend sind. Wir haben das Know-how in vielen Bereichen, in denen aktuell bereits in Sachsen an der Nutzung von Wasserstoff gearbeitet wird. Diese Projekte können wir von Landesseite her bündeln, um ein Upscaling zu unterstützen. Wir können an Energiestandorten in der Lausitz anknüpfen, wenn wir Wasserstoff auch als Teil des Strukturwandels einsetzen. Wir werden die vorhandene Infrastruktur erweitern und ergänzen. Was uns Sachsen fehlt, ist aktuell vor allem die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien, denn wir wollen die Wertschöpfung für Wasserstoff hier in Sachsen aufbauen.

Und damit komme ich wieder zu meinem Ausgangspunkt zurück: Wer in Sachsen Wasserstoff einsetzen möchte, muss sich in Sachsen für den Ausbau erneuerbarer Energien einsetzen.

Arbeit & Wirtschaft | | 18.05.2021

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