Wirtschaft/Corona-Krise – Liebscher: Wirtschaftshilfen an sozial-ökologische Vorgaben koppeln!

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Wort „Krise“ setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen: Gefahr und Gelegenheit. Die Gefahr, welche vom neuartigen Corona-Virus für uns ausgeht, haben wir bereits erkannt. Daraufhin wurden Maßnahmen getroffen, um unsere Bevölkerung zu schützen – und das mit Erfolg. Sachsen verzeichnet weiterhin niedrige Infektions- und Todeszahlen. Uns wurden jedoch auch die Schwächen unseres Systems vor Augen geführt: privatisierte Krankenhäuser, fehlender Sozialversicherungsschutz für Solo-Selbstständige oder Minijobber*innen und nicht zuletzt eine völlig veraltete digitale Infrastruktur, die uns jetzt besonders im schulischen und universitären Kontext auf die Füße fällt.

Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen des Virus sind schon heute in allen Teilen der Bevölkerung spürbar. Und auch zukünftig prognostiziert der internationale Währungsfonds, dass sich die Corona-Pandemie zur schlimmsten Wirtschaftskrise seit der großen Depression der 1930er Jahre ausweiten wird.

Nun könnte man meinen, wir sind jetzt besser gewappnet, haben mehr finanziellen Spielraum und bessere soziale Netze, um diejenigen aufzufangen, die ohne Eigenverschulden ihren Arbeitsplatz verlieren. Aber ganz so einfach ist es nicht. Es zeichnet sich ein gesellschaftlicher Riss ab. Ein Riss zwischen denen, die mit neuester Technik im Homeoffice arbeiten und weiter ihr Gehalt beziehen und den Familien, die sich mit Home-Schooling konfrontiert sehen, aber nicht wissen, wie sie das ohne Geld für Laptop oder Tablet überhaupt bewerkstelligen sollen. Um zu verhindern, dass sich dadurch soziale Ungleichheiten vergrößern, müssen sowohl auf nationaler wie auch internationaler Ebene politische Maßnahmen an den Prinzipien der Chancengleichheit und Selbstwirksamkeit ausgerichtet werden. Es ist jetzt an uns, diese Krise auch als Gelegenheit zu begreifen, um einen Aufbruch zu wagen und Veränderungen anzustreben.

Ein zielgerichtetes Vorgehen ist dabei unerlässlich. Es macht keinen Sinn, das Geld >>mit der Gießkanne auszuschütten<<. Vielmehr sollten die aus Steuermitteln finanzierten Wirtschaftshilfen an Vorgaben gekoppelt sein. Das heißt: Keine Unterstützung für Unternehmen, die Boni oder Sonderzahlungen in Form von Aktienpaketen oder Ähnlichem auszahlen. Diejenigen, die öffentliche Gelder in Anspruch nehmen wollen, müssen ihre Gewinne und Töchter-Firmen offenlegen, sodass bestehende Steuerschlupflöcher nicht mit-finanziert werden.

Am wichtigsten ist jedoch, dass der gesamte Prozess des Wiederaufbaus die sozial-ökologische Transformation begleitet. Wir haben jetzt die Chance, unsere Gesellschaft in Sachen Klimagerechtigkeit, Digitalisierung und sozialer Gleichberechtigung nach vorn zu bringen. Deshalb sollte sich der Großteil der aufgelegten Programme für Sachsen auf zielgerichtete Investitionen, Forschungs- und Innovationsförderung sowie Qualifizierungsmaßnahmen konzentrieren, die im Einklang zum European Green Deal und den nationalen Klimaschutzzielen stehen.

Wir können diese historische Herausforderung nur gemeinsam bewältigen, weshalb die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene von großer Bedeutung für Deutschland und den Wirtschaftsstandort Sachsen ist. Als Exportnation sind wir auf den freien Warenverkehr und die Freizügigkeit von Personen innerhalb des Schengen-Raums angewiesen. Bei einer erneuten Infektionswelle sollten nationale Alleingänge darum zwingend verhindert werden. Nur so können wir unsere Bevölkerung schützen und die Wirtschaft ankurbeln. Deshalb heißt es jetzt Zusammenarbeiten - für eine geeinte Gesellschaft, für zielgerichtete Zukunftsinvestitionen und eine leistungsfähige Wirtschaft in Sachsen.

Zweite Runde:

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich denke allen ist bewusst, dass man aus dieser Krise nicht mit klassischen Konjunkturprogrammen herauskommt. Die Zeit ist gekommen, um Investitionsprogramme aufzulegen, die unsere Wirtschaft erneuern und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nachhaltig stärken. Nur so können wir guten Gewissens ein neues soziales Sicherheitsversprechen geben, den Klimawandel bekämpfen und sowohl die europäische als auch die internationale Solidarität stärken.

Die Bundesregierung will mit ihrem Konjunkturpaket so viel Geld wie noch nie für Wirtschafshilfen bereitstellen. Es setzt an vielen Stellen richtige Impulse. Das Zukunftstechnologien, wie z.B. die Batteriezellenfertigung und die Erforschung der Elektromobilität, die jetzt besonders gefördert werden sollen, begrüßen wir außerordentlich. Insbesondere der Ausbau von Ladesäulen, die Förderung des ÖPNV und der Verzicht auf eine Abwrackprämie für Fahrzeuge mit Verbrenner-Motoren sind ein wichtiges Zeichen.

Allerdings ist durch die allgemeine Senkung der Mehrwertsteuer ohne zielgerichtete Aussteuerung eine Subventionierung durch die Hintertür zu befürchten. Ob die Senkung der Mehrwertsteuer außerdem die Binnennachfrage insgesamt stärken kann, bleibt abzuwarten. Bei aller Fokussierung auf das, was im Paket enthalten ist, sollte man den Blick jedoch auch darauf wenden wer nicht bedacht wurde. Was ich schmerzlich vermisse, ist die Unterstützung für Solo-Selbstständige. Betriebskostenzuschüsse gehen hier bei vielen an der Lebensrealität vorbei, denn es fehlt schlicht das Einkommen zum Überleben. Hier muss dringend nachgesteuert werden. Außerdem fehlt eine Verknüpfung von verbindlichen Klimavorgaben an Konjunkturhilfen für Unternehmen, die diese beziehen. Der Umweltschutz wurde unserer Meinung nach also wieder einmal nicht genügend einbezogen. Hier ist eindeutig noch Luft nach oben.

Insgesamt hat die Bundesregierung aber ein Maßnahmenpaket vorgelegt, mit dem wir arbeiten können. Für die Corona-Pandemie greift der ansonsten oft zitierte Satz >>Krisen sind die Stunde der Exekutive<< jedoch zu kurz. Die aktuelle Situation erfordert ein Zusammenwirken des Staates auf allen Ebenen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns stellen müssen und gerade deshalb darf die Verantwortung nicht an einzelne Personen oder Institutionen delegiert werden. Vor allem schwierige Entscheidungen müssen von gewählten Volksvertretern getroffen werden. Deshalb ist die Corona-Krise die Stunde der demokratisch legitimierten Politik und wir sollten uns dafür stark machen, dass diese Stimmen auch in Krisenzeiten Gehör finden.


» Mehr Infos zur 10. und 11. Sitzung des 7. Sächsischen Landtages

Arbeit & Wirtschaft | | 11.06.2020

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