Abbiegeassistenten – Liebscher: Auftakt zu mehr Verkehrssicherheit im Freistaat Sachsen
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
jeder Mensch, der bei einem Verkehrsunfall stirbt oder schwer verletzt wird, ist einer zu viel. Darüber sind wir uns sicherlich in diesem Haus mehr als einig. Doch wie kommen wir dahin, dass unsere Straßen deutlich sicherer werden? Wie schützen wir Fußgänger- und Radfahrer*innen besser? Wie schaffen wir es, dass es keine Verkehrstoten mehr gibt, also die sogenannte Vision Zero für den Freistaat umgesetzt wird?
Ein wichtiger Baustein ist der Abbiegeassistent.
In Sachsen starben im Jahr 2020 150 Menschen bei Verkehrsunfällen, 39 unter Beteiligung eines LKW. Bei jedem dritten dieser Abbiegeunfälle war die Radfahrer*in im toten Winkel. Laut der Unfallforschung der Versicherer können Abbiegeassistenten fast die Hälfte dieser Unfälle vermeiden.
Dass diese deshalb genauso in LKW gehören wie Anschnallgurte, hat auch der Deutsche Bundestag erkannt und 2018 einen überfraktionellen Antrag zur Einführung von Abbiegeassistenzsystemen mit breiter Mehrheit beschlossen. Bei diesem Antrag wurde der Schutz von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen vor abbiegenden LKW als ein Schwerpunkt deutscher Verkehrspolitik beschrieben.
Nicht zuletzt führte diese Initiative zu der Verpflichtung, LKW-Abbiegeassistenzsysteme ab Juli dieses Jahres in allen neuen Fahrzeugtypen zu integrieren und ab 2024 müssen alle neuzugelassenen LKW über Abbiegeassistenten verfügen. Das ist gut. Doch es geht uns noch immer nicht schnell genug!
Werte Damen und Herren,
der vorliegende Antrag hat zum Ziel, dass der Freistaat Sachsen ab sofort nur noch LKW und Omnibusse beschafft, die mit Abbiegeassistenzsystemen ausgestattet sind – noch vor der gesetzlichen Regelung.
Ferner haben wir uns als Koalition in Sachsen darauf verständigt, auch den bestehenden Fuhrpark der Landesverwaltung mit Abbiegeassistenten nachzurüsten. Denn für eine breite Wirksamkeit brauchen auch die bereits angeschafften LKW und Omnibusse dringend dieses Technik-Update zum Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen.
Immerhin hat ein LKW eine Abschreibungsdauer von neun Jahren. Das heißt, ein vor zwei Jahren ohne Abbiegeassistent angeschaffter LKW wird noch mindestens sieben Jahre auf sächsischen Straßen unterwegs sein. Hier setzen wir an und nehmen eine Vorreiterrolle für Verkehrssicherheit ein.
Als Grundlage braucht es dafür zunächst eine Evaluation des aktuellen Ausstattungsstandes des Fuhrparkes, um auf dieser Basis ein Umsetzungs- und Finanzierungskonzept zur Fahrzeugnachrüstung zu entwickeln. Denn natürlich ist auch nicht jede Nachrüstung sinnvoll, beispielsweise bei LKW oder Bussen mit absehbar baldigem Nutzungsende.
Von einigen Ressorts, wie dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung wissen wir, dass man an dieser Stelle schon gestartet ist. Seit 2020 hat das Haus rund 25.000 Euro in die Nachrüstung des eigenen Fuhrparkes mit Abbiegeassistenzsystemen investiert. Zudem wurden diese Systeme als weiteres Ausstattungsmerkmal in die Leistungsbeschreibung für zukünftige Beschaffung von leichten und schweren Nutzfahrzeugen und Bussen im Justizvollzug aufgenommen.
Hier hat Ministerin Katja Meier eine wichtige Initiative ergriffen, die wir nun gern als Koalitionsfraktionen auch auf alle anderen Ressorts der Staatsregierung und Landesverwaltung übertragen wollen. Nicht nur um unsere Verantwortung für Verkehrssicherheit in Sachsen wahrzunehmen, sondern auch um private Unternehmen und Kommunen anzuregen, es uns gleich zu tun.
An dieser Stelle sei mir auch der Hinweis auf die sehr unterschiedliche Qualität der Abbiegeassistenten gestattet. Der ADAC hat die Hilfssysteme unter die Lupe genommen und festgestellt, dass nicht alle ausreichend vor Abbiegeunfällen schützen. Das BMVI hat hier entsprechende Empfehlungen veröffentlicht, die auch bei der Bewerbung von Unternehmen und Kommunen Berücksichtigung finden sollen.
Neben den bereits erwähnten Punkten adressiert die vorliegende parlamentarische Initiative gleichfalls die Staatsregierung, sich beim Bund für eine Anpassung des Straßenverkehrsrechts einzusetzen. Hier gab und gibt es sehr unterschiedliche Ansätze, den Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen zu verbessern. Aus unserer Sicht ist in diesem Zusammenhang wichtig, den Kommunen Handlungsoptionen zu ermöglichen, um Unfallschwerpunkte kurzfristig und einfach zu entschärfen und unbürokratisch die entsprechenden verkehrsrechtlichen Anordnungen treffen zu können.
Sehr geehrte Damen und Herren,
natürlich sind LKW-Abbiegeassistenzsysteme nur ein Baustein der Verkehrssicherheitsarbeit, wenn auch ein sehr wichtiger. Auf dem Weg zur Vision Zero, also auf dem Weg zu Null Verkehrstoten, gibt es noch viel zu tun.
Dass die Vision Zero kein Hirngespinst ist, sondern wirkt, haben bereits andere europäische Länder, wie Schweden, Niederlande, Österreich und die Schweiz, vorgemacht und gezeigt, dass es zu deutlich niedrigeren Unfallraten führt. Doch dafür müssen noch weitere Maßnahmen ergriffen werden.
Im Zuge der Fortschreibung des Verkehrssicherheitsprogramms wird dazu ein umfassender Handlungsrahmen erstellt. Diesen Prozess werden wir BÜNDNISGRÜNE intensiv begleiten.
Die flächendeckende Etablierung von Abbiegeassistenten im Fuhrpark der Landesverwaltung ist also nur der Auftakt zu mehr Verkehrssicherheit im Freistaat Sachsen und Start auf dem Weg zu Vision Zero.
Denn jeder Verkehrsunfall ist einer zu viel. Also lassen Sie uns keine Zeit verlieren!
Verkehr | | 10.02.2022