Aktuelle Debatte Energiepreise – Liebscher: Erneuerbare sind Grundlage für saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

wir müssen über Rohstoffpreise reden, denn die Preissteigerungen sind im zweiten Pandemie-Winter in vielen Bereichen unseres Lebens angekommen. Handwerk und Industrie berichten von Materialengpässen als zentralem Hindernis für den Aufschwung. Die höheren Preise fossiler Brennstoffe und Lebensmittel sind für Menschen mit geringem Einkommen in diesem Herbst bereits deutlich zu spüren.

Aber, meine Damen und Herren,
wir müssen die Hintergründe der Dynamiken beachten, die hier aufeinandertreffen.

Denn die Gründe für die Preissteigerungen sind vielfältig. Sie liegen zum einen in der schnellen Erholung der Konjunktur, nachdem Corona im vergangenen Jahr einen Nachfragerückgang begründete. Hinzu kommen die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung im vergangen Jahr und der anschließende Preisanstieg, pandemiebedingte Fachkräfte-Engpässe, erhöhte Preise für Düngemittel, unterbrochene Lieferketten, logistische Zwischenfälle wie der Stau im Suezkanal und erhöhte Frachtkosten. Die Gasanbieter entschieden sich dagegen, ihre Speicher in der üblichen Höhe zu füllen. Dennoch ist die Versorgung im europäischen Verbund gewährleistet. All diese Phänomene lassen sich nun wunderbar für Sie in einen Topf werfen, kräftig trommeln und populistisch ordentlich melken.

Meine Damen und Herren,
wir müssen aufhören, die Probleme mit den Mitteln zu lösen, die sie verursacht haben! Rückwärtsgewandte Forderungen werden bestehende Abhängigkeiten nur weiter vertiefen, Lösungen verschleppen und Probleme verschärfen.

Die anziehende Konjunktur nach Corona zeigt, wie sensibel unser bisheriges System auf Störungen reagiert. Daraus müssen wir Konsequenzen ziehen. Wir müssen unsere Abhängigkeit von globalen Lieferketten deutlich reduzieren und auf regionale, nachhaltige Versorgung setzen.

Unsere Aufgabe ist es jetzt, Rohstoffkreisläufe zu schließen, unsere sächsische Kreislaufwirtschaft auszubauen und die regionale Lebensmittelproduktion zu fördern. Durch regionale, unabhängige Versorgung werden nicht nur Emissionen, sondern auch Frachtkosten eingespart, die die Preise treiben.

Wir setzen als BÜNDNISGRÜNE auf ökologische Landwirtschaft, um auch hier langfristige Versorgung zu gewährleisten. Ein Preistreiber im Bereich der Lebensmittel sind neben hohen Frachtkosten auch die gestiegenen Preise für Düngemittel. Für die Produktion von Dünger werden erhebliche Mengen an Erdgas benötigt. Das ist eine Folgeerscheinung der industriellen Landwirtschaft, die zu häufig die Übernutzung von Böden in Kauf nimmt, um rentabel zu sein.

Die zweite wichtige Erkenntnis lautet: Die Preiserhöhungen verdeutlichen unsere Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern! Die Nachfragespitzen im Gasmarkt resultieren aus der wiedererstarkenden Konjunktur und dem Nachfragehoch asiatischer Märkte. Nur ein weitaus höherer Anteil an Erneuerbaren sichert uns künftig die unabhängige Versorgung mit Energie. Neue Pipelines, wie Nord Stream 2, bieten keine langfristige Lösung, sondern verstärken geopolitische Abhängigkeiten. Ziel einer weitblickenden Energiepolitik muss sein, sogenannte Lock-In-Effekte zu vermeiden, die die Modernisierung unseres Energiesystems verhindern.

Das Phantasieren von Neuentwicklungen in der Atomenergie bietet keinerlei hilfreiche – oder kurzfristige Lösung. Atomenergie ist teuer, mindestens doppelt so kostenintensiv wie Strom aus erneuerbaren Quellen. Atomenergie trägt weder zum Klimaschutz noch zu günstigeren Energiepreisen bei.

Verehrte Damen und Herren,
der Ausbau der Erneuerbaren muss rasch vorangetrieben werden, um Sachsen unabhängig mit Energie zu versorgen. Wir müssen in Sachsen jetzt die rechtlichen Vorrausetzungen schaffen, um Kommunen über die Bauleitplanung das Errichten von Windkraftanlagen zu ermöglichen. Die Erneuerbaren sind die Grundlage für saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung.
Lassen Sie uns unser Land mit Nachdruck krisenfest aufstellen!

Politisch gilt es im Sinne des Wohles unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, allen Aspekten der Preissteigerung mit Lösungsansätzen zu begegnen – anstatt billigen politischen Profit aus den Sorgen der Menschen zu schlagen.

Darum möchte ich hier gerne einige Punkte klarstellen: Der finanzpolitische Steuerungshebel des Emissionshandels trägt nur zu einem geringen Teil von circa zwölf Prozent im europäischen Kontext zur aktuellen Preisbildung im Gas bei. Wir BÜNDNISGRÜNE setzen uns auf Bundesebene dafür ein, Bürgerinnen und Bürgern die Mittel auszuzahlen, die der öffentlichen Hand durch die CO2-Bepreisung zufließen, um den sozialen Ausgleich zu gewährleisten.

Gleichzeitig dürfen gesunde Ernährung und Grundversorgung mit Energie nicht zum Luxus werden! Daher wollen wir Arbeitnehmende durch einen erhöhten Mindestlohn unterstützen und deshalb setzen wir uns im Bund für eine erhebliche Steigerung der Grundsicherung ein.

Kurzfristig ist, in Abstimmung mit den Versorgern, eine Gaspreisprognose für Privathaushalte in 2022 zu erstellen. Daraus ist abzulesen, in welchem Umfang Unterstützungsbedarf privater Haushalte auftauchen wird. Langfristig gilt: Wir müssen unseren Energieverbrauch weitgehend elektrifizieren, um große Teile durch Sonne und Wind zu decken. Das ist und bleibt die kostengünstigste Form der Energiegewinnung!

Abschließend muss ich eine Sache klar stellen, die mir am Herzen liegt:

Alle Analysten sind sich einig, dass der wirtschaftliche Aufschwung mit jeder Verschlechterung der pandemischen Lage verzögert wird. Die Pandemie ist ein zentrales Hemmnis für die Erholung internationale Lieferketten. Alle, wie wir hier sitzen, liebe Damen und Herren, und insbesondere auch die AfD, müssen das endlich anerkennen! Ihre Sorge über Preissteigerungen für unsere Bürgerinnen und Bürger nehme ich Ihnen erst dann ab, wenn Sie aufhören, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes weiterhin zu sabotieren. Wenn Sie aufhören, Lügengeschichten über zukunftssichere Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen zu verbreiten! Und wenn sie schlussendlich aufhören, gefährliche Lügengeschichten über das Impfen zu verbreiten. Die Welle der Impf-Angst, auf der Sie hier in Sachsen reiten, DAS ist Gift gegen die Erholung der Gesellschaft und eine Erholung der Märkte.

Arbeit & Wirtschaft | | 19.11.2021

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