Energieversorgung – Liebscher: Unabhängigkeit wird dort gestärkt, wo klimaneutrale Energieproduktion ausgebaut wird

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,

die AfD-Fraktion räumt mit ihrem Antrag mal wieder ab – und zwar den ersten Preis für grandios schlechtestes Timing einer Parlamentarischen Initiative: Am vergangenen Donnerstag bestätigt das Urteil des Kammergerichts Berlin die Verwicklung des Russischen Staatsapparates in den Mord eines georgisch-tschetschenischen Aktivisten.

Die Rolle Changoschwilis mal dahingestellt. Fakt ist: Der russische Staat verstrickt sich erneut in Lügen gegenüber seinem Partner, der Bundesrepublik. Er ist Drahtzieher des Mordes an einem politischen Gegner, hier in Berlin. Dieses Verbrechen reiht sich ein in eine Vielzahl von weiteren gravierenden Fällen von staatlich organisierten Gewalttaten an politischen Gegnern.

Meine Damen und Herren, der Zeitpunkt für Ihre Forderung kann nicht schlechter gewählt sein:
Vor der ukrainischen Grenze fahren zu diesem Zeitpunkt russische Panzer auf. Dieses Verhalten Russlands ist nicht vereinbar mit den Inhalten des Vertrages über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Dieses Verhalten Russlands ist unter keinen Umständen zu akzeptieren!

Wir wollen, bei aller politischen Kritik, der Ukraine gegenüber verlässliche Partner bleiben. Wir wollen zivilgesellschaftlichen Kräften in diesem Land die Unterstützung Europas gewährleisten.
Und wir wollen auch eine verlässliche Partnerschaft mit Russland, aber nicht um jeden Preis. Sicher hat Sachsen Interesse an einer strategischen Partnerschaft mit dem Nachbarn. Und so fordern wir unseren Nachbarn auf: Halte dich an die vertragliche Grundlage unserer Zusammenarbeit.

Meine Damen und Herren,
Russland hat die friedliche Grundordnung Europas zu achten! Wir haben hier als Bundesdeutsche unseren Beitrag zur europäischen Sicherheit zu leisten. Das Minsker Abkommen ist die Grundlage, auf die im Mindesten alle Partner zurückkommen müssen. Darauf ist auf allen Ebenen hinzuarbeiten.

Wer mit militärischen Mitteln gegen diese friedliche Grundordnung verstößt, der muss mit gemeinschaftlicher, europäischer, wirtschaftlicher und politischer Reaktion rechnen. Anders als dargestellt, dürfen wir die Russland-Sanktionen nicht konterkarieren, indem die Bundesrepublik weiter an der Umsetzung von Nord-Stream 2 festhält!

Die AfD stellt einen Umstand richtig fest: Bereits dieses Jahr zeigt sich, dass Russland versucht, durch einseitige Einflussnahme im Gasmarkt Druck auf die Bundesrepublik auszuüben. Der aktuelle Monitoringbericht der Bundesnetzagentur stellt bezüglich der geringeren Füllstände unserer Gasspeicher fest – ich zitiere:

„Der Füllstand der Gasspeicher lag zum 31. Oktober 2021 bei 71,3 Prozent und damit deutlich unter den durchschnittlichen Füllständen der vergangenen Jahre (…). Dieser Effekt resultiert fast ausschließlich aus dem extrem niedrigen Füllstand derjenigen Speicher, die dem Betreiber Gazprom gehören.“

Dem Bericht ist weiter zu entnehmen, dass alle anderen Speicher sehr gut gefüllt sind – und die Versorgungssicherheit daher in allen Regionen aufrechterhalten werden kann.

Dass Russland über vertraglich festgesetzte Mengen hinaus kaum lieferte, hat sicher noch mehrere Gründe. Was ich Ihnen aber darlegen möchte, meine Damen und Herren:

Ein sensibles Gut wie unsere Energieversorgung darf in keinem Fall durch geopolitische Abhängigkeit eingeschränkt werden!

Gasimporte der Bundesrepublik sind derzeit durch ein breites Netz an Infrastruktur gekennzeichnet und hoch diversifiziert. Selbst ein kurzfristiger Ausfall russischer Lieferungen kann durch europäischen Verbund und Effizienz aufgefangen werden.

Diese Vielzahl der Bezugsquellen ist die Stärke unseres Systems. Und das muss auch so bleiben!

Wir beziehen derzeit den Großteil unseres Gases aus Europa, Norwegen, Nordafrika, Russland und anderen Regionen. Unser Ziel ist, den Bezug von Gas weiter zu diversifizieren. Auch die Europäische Energieunion setzt sich explizit zum strategischen Ziel, Abhängigkeit zu reduzieren und die Importeurslandschaft zu diversifizieren.

Der Erdgasbedarf wird im Zuge der Transformation unserer Energieversorgung hin zu Erneuerbaren Energien künftig rückläufig sein und, je nach Szenario, um 70 bis 90 Prozent reduziert.

Ein Großteil des potentiell über Nord Stream 2 angelieferten Gases wird, laut Wissenschaftlichem Dienst der Bundesregierung, durch die direkt angeschlossene EUGAL wieder exportiert.

Ich sage Ihnen, nehmen wir Nord-Stream 2 in Gang und überfluten wir den deutschen und den europäischen Markt mit russischem Gas, so wird sich unsere Energiesicherheit verschlechtern statt verbessern. Damit gefährden wir die breite Angebotspalette, auf die wir uns heute stützen. Sich tiefer in geopolitische Abhängigkeit einer unsicheren politischen Partnerschaft zu begeben – das ist das Letzte, was unsere Industrie und was unsere Verbraucherinnen und Verbraucher benötigen!

Die Unabhängigkeit von internationalen Energielieferungen wird in Zukunft dort gestärkt, wo klimaneutrale Energieproduktion ausgebaut wird, auch im Ostdeutschen Verbund.

Darum lehnen wir den Antrag der AfD ganz klar ab.

Arbeit & Wirtschaft | | 22.12.2021

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