Generalaussprache Doppelhaushalt 2023/24 – Schubert: Mit diesem Haushalt ermöglichen wir Stabilität und Gestaltung, vollziehen Richtungswechsel und erhalten gesellschaftlich wichtige Strukturen
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Aufstellung dieses Doppelhaushalts stand vor der Herausforderung, in Krisenzeiten Stabilität und Gestaltung zu ermöglichen. Das war nicht nur Herausforderung, sondern gleichzeitig auch Anspruch der Koalition. Mit Blick auf das, was nun nach dem parlamentarischen Verfahren vorliegt, möchte ich erstens feststellen: Wir liefern das mit diesem Haushalt.
Zweitens ist dies ein Haushalt, der Richtungswechsel einschlägt – besonders in der Energie- und Klimapolitik, im Umgang mit natürlichen Ressourcen und mit einer vorher so nie dagewesenen Verankerung von Nachhaltigkeit bei den Ausgaben.
Und drittens stärken wir die Strukturen im Freistaat, welche die Basis für ein gutes Leben und Miteinander im gesamten Land, unserer sächsischen Heimat bilden. Dazu gehört auch ein erster Schritt bei der Krisenbewältigung, ausgewiesen vordringlich für nicht-staatliche Härtefälle.
Die Krisen, in denen wir uns befinden, sind existenziell. Und so sind es der russische Krieg gegen die Ukraine, das Überschreiten der Leistungsgrenzen unseres Planeten und Krankheiten, die uns global vor Augen führen, wie notwendig es ist, dass wir als Menschen unser Handeln radikal verändern. Haushalts- und Finanzpolitik trägt in solchen Zeiten, die auch mit Verunsicherung einhergeht, eine besondere Verantwortung.
Wir setzen daher als BÜNDNISGRÜNE auf eine Finanzpolitik, die unsere Werte erhält, in die Zukunft investiert, nachhaltiges Wachstum und Wohlstand ermöglicht. Wir setzen uns dafür ein, auch kommenden Generationen einen Gestaltungsspielraum zu vererben. Das setzt voraus, dass die öffentlichen Finanzen entsprechend tragfähig und nachhaltig aufgestellt sind. Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist zentral bei der Ausgabenplanung. Sei es der Bereich Wohnen, Bauen, Mobilität, Wirtschaftsförderung – alles, was wir mit öffentlichem Geld tun, muss auf mehr als reine Gewinnmaximierung abstellen. Das verstehen wir unter solide.
Mit dieser Koalition zeigen wir eine in Sachsen vorher so noch nie dagewesene Verantwortung für die natürlichen Ressourcen und Klimaschutz. Weil wir einen Plan haben, die Ökosysteme dieses Landes, welche die Grundlage für unser Leben und Wirtschaften bilden, so aufzustellen, dass wir gut durch Krisen kommen und krisenfester werden. Dieser Sommer hat wieder gezeigt, dass wir handeln müssen. Und da geht es um unser aller Alltag – zum Beispiel die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung in allen Regionen Sachsens. In diesem Haushalt sind nun knapp 50 Millionen Euro für eine verbesserte Wasserversorgung und das Wassermanagement bereitgestellt. Das ist einer der BÜNDNISGRÜNEN Schwerpunkte – nicht, weil es programmatisch gut passt, sondern weil es zum Lebensprogramm von uns allen gehört. Wir beteiligen auch endlich die Verursacher für gestörte Wasserhaushalte an den Kosten – die Braunkohle zahlt zukünftig endlich eine angemessene Wasserentnahmeabgabe. Diese Einnahmen werden zweckgebunden eingesetzt für den Bereich des Wassermanagements. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, für den wir als BÜNDNISGRÜNE schon lange eintreten. Das kommunale Klimabudget zur Klimawandelanpassung ist ein weiterer Punkt. Das ist „kein winziges Zugeständnis“, sondern eine konkrete Antwort auf bestehende Notwendigkeiten.
Und es wird deutlich, wie notwendig die Richtungswechsel sind, die wir einschlagen. Wir wissen, dass durch die klimatischen Veränderungen Lebensgrundlagen in anderen Ländern bereits zerstört sind und dass sich in Folge dessen Menschen auf den Weg machen und ihre vernichteten Heimaten verlassen. Wir wissen auch, dass für Putin der Krieg immer eine Option war. Die energiepolitische Abhängigkeit, die unter der Großen Koalition im Bund geschaffen wurde, bezahlen wir alle teuer. Es braucht ganz konkret hier vor Ort in Sachsen Anstrengungen, diese Abhängigkeiten schleunigst zu senken – und wir haben da sehr viel Potenzial, was wir noch nicht nutzen. Mit diesem Haushalt schaffen wir dafür als Koalition die Grundlagen, um endlich auch in Sachsen das Ganze zu beschleunigen.
Die letzten drei Jahre haben deutlich gemacht, dass die gewohnten Strukturen, Instrumente und Verfahren weit über ihre Möglichkeiten strapaziert und eingesetzt wurden. Wir müssen anpassen und uns neu aufstellen. Es braucht Strukturen, die tragen können; Verfahren, die auch unter Hochbelastung funktionieren; und Instrumente, die ganzheitlich einsetzbar sind. Mit diesem Haushalt schaffen wir auch dafür die Voraussetzungen. Die Gleichzeitigkeit der Krisen, die auf unser aller Leben einwirkt, ist ein Momentum, was die Chance birgt, das dringend Notwendige im Handeln zu verankern. Und heute hier stehen und sagen zu können, wir drehen den Dampfer – das entschädigt für vieles, was diese Koalition auch an Disziplin, Geduld und Kompromissfähigkeit abfordert. Wir sind als BÜNDNISGRÜNE das erste Mal in Regierungsverantwortung und dass wir diese Verantwortung und unseren Anspruch, die Dinge verändern zu wollen, verdammt ernstnehmen, schlägt sich deutlich auch im Haushalt nieder.
Eines unserer Kernthemen ist Nachhaltigkeit – und damit sind wir längst nicht mehr allein. Die aktuellen sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen fordern eine umfassende gesellschaftliche Entwicklung in diese Richtung. Zukünftig wird darum auch der gesamte staatliche Bau und die staatlichen Liegenschaften in Sachsen unter Nachhaltigkeit gestellt sein, inklusive dem Ausbau der Erneuerbaren im Sinne der Vorbildwirkung der öffentlichen Hand. Ziel ist der Schutz von Umwelt, Ressourcen, Gesundheit, Kultur und Kapital. 2015 wurden die UN-Nachhaltigkeitsziele verabschiedet. Bis 2030 sollen diese umgesetzt werden. Und Sachsen reiht sich ein.
Veränderungsprozesse schließen alle Bereiche ein. Es braucht eine Anerkennung dafür, dass es nicht mehr funktioniert, die Themen als Einzelereignisse zu betrachten und zu behandeln.
Gerade der öffentlichen Hand kommt eine besondere Aufgabe zu. Für Krisen- und Zukunftsfestigkeit können insbesondere Verwaltungsstrukturen einen wesentlichen Anteil leisten: Die öffentliche Hand kann in vielen Bereichen direkt und indirekt Nachhaltigkeit initiieren und leben UND sie kann ein gutes Miteinander und einen ausgeprägten gesellschaftlichen Zusammenhalt leben und unterstützen. Genau dafür müssen wir sie politisch befähigen.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt geschieht nicht von sich aus – viele Menschen arbeiten daran auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Diese Menschen zu unterstützen und auch, diese Menschen nicht zu verlieren – das muss common sense auf allen Ebenen sein. Der Haushalt bildet die Unterstützung für diese Menschen in Zahlen ab – in der Umsetzung sollte das Ermöglichen und Unterstützen aber auch grundsätzliche Leitschnur sein.
Es geht aber in diesen Zeiten von so vielen Veränderungen auch um Verständigung und das Verstehen wollen verschiedener Perspektiven. Beispielsweise, dass die sächsische Gesellschaft nicht nur aus Männern besteht und deren Vorstellung vom Leben. Und das sage ich, weil ich in vielen Runden in diesem Freistaat oftmals allein unter Männer bin und oftmals kein Bewusstsein dafür herrscht, dass das möglicherweise die Gesellschaft nicht ganz widerspiegelt. Es geht darum, dass Gesellschaft in ihrer Vielfalt in politischen Entscheidungsprozessen abgebildet wird. Und zu dieser Gesellschaft gehören nun mal Frauen, Jugendliche, Kinder, Senioren, Hochbetagte, Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensweisen, Familienvorstellungen oder Herkünften.
Ein Schlüssel zur Bekämpfung des bereits deutlich spürbaren Fachkräftemangels ist im Übrigen, die Erwerbstätigkeit von Frauen zu steigern. Dafür braucht es einen Rahmen, der Frauen die gleichberechtigte Teilnahme am Arbeitsmarkt und Entwicklungsperspektiven sicherstellt. Fachkräftesicherung ist eine Schicksalsfrage für unser Land, für unseren Wohlstand und somit auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und darum auch hier ein Richtungswechsel: Wir erweitern den Arbeitsauftrag der ständigen Personalkommission des Freistaats um genau diesen Aspekt des ressourcenorientierten Personalmanagements.
Schlussendlich noch das Thema Digitalisierung. Das geht von Breitbandausbau über Prozesse und Verfahren, Transparenz, Erreichbarkeit, Dienstleistung und Bereitschaft. Auch hier erfolgt eine Neuausrichtung; unter anderem hin zu deutlich mehr Open Source und der Prüfung alternativer Verlegemethoden. Dafür brauchen wir Ideen und Leute, die das umsetzen können und die in der Lage sind, mit entsprechenden Fortbildungen und Begleitungen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst einzuarbeiten und mitzunehmen.
In den vergangenen Wochen und Monaten haben wir mit vielen Menschen in Sachsen gesprochen. Menschen aus Wirtschaft, Handwerk, Landes- und kommunalen Verwaltungen, mit Kulturschaffenden, aus Bildung und Gesellschaft. Mit Menschen im Ehrenamt. Wir konnten feststellen, dass wir gemeinsame Ziele haben und auch gemeinsame Wege finden und wir haben ihre Anregungen aufgegriffen. Zum Beispiel war uns die Kultur ein BÜNDNISGRÜNEN Herzensanliegen: Die Kulturräume bekommen mehr, wir sichern die Theater in den ländlichen Räumen und damit Lebensqualität.
Zum Schluss möchte ich allen danken, die daran mitgewirkt haben, dass wir einen anständigen Haushalt für die Jahre 2023 und 2024 auf den Weg bringen. Das, was wir heute und morgen abstimmen, ist das Ergebnis einer demokratischen Auseinandersetzung in einer Zeit, in der Krise politischer Alltag geworden ist. Wir wiederholen nicht die Fehler aus früheren Krisen und früherer Koalitionen. Der Haushalt der nächsten zwei Jahre wird Stabilität und Gestaltung ermöglichen, Richtungswechsel vollziehen und gesellschaftlich wichtige Strukturen erhalten und unterstützen. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich Sie um möglichst breite Zustimmung.
Arbeit & Wirtschaft | | 20.12.2022