ÖPNV – Liebscher: Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken ist zentrales Mobilitätsanliegen der Koalition
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
zuerst einmal muss ich konstatieren, dass ich mich freue, dass unser Koalitionsvertrag so viel Gefallen bei der Fraktion DIE LINKE findet. Auch wenn es mich anfänglich etwas überrascht hat. Immer öfter greift die Linksfraktion für ihre Anträge unsere Vereinbarungen in der Regierungskoalition auf, betreibt manchmal sogar copy & paste. Das ist doch ein schönes Zeichen und spricht für unsere gesteckten Ziele.
Ziele, die ich in Bezug auf die Streckenreaktivierung gern an dieser Stelle noch einmal zitieren möchte: „Zur besseren Verknüpfung des ländlichen Raums mit den Ballungszentren wollen wir die Reaktivierung/Wiederinbetriebnahme entwidmeter und abbestellter Bahnstrecken mit Hilfe von Potenzialanalysen prüfen. Die bereits begonnenen Überprüfungen zur Reaktivierung von Bahnlinien werden auf Grundlage vorliegender Potenzialanalysen zeitnah abgeschlossen. Generell sollen Strecken mit erfolgreicher Potenzialanalyse wieder zügig befahren werden“.
Ich denke, es ist klar: Auf die stillgelegten Strecken in Sachsen wieder schnell Züge zu bringen, ist uns ein zentrales Mobilitätsanliegen in dieser Koalition. Der vorgelegte Haushaltsentwurf für den Einzelplan 07 des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr bildet dies allerdings nur unzureichend ab. Wir werden daher versuchen, im Haushaltsverfahren nachzusteuern – wohlwissend, wie es aktuell um die finanziellen Spielräume des Freistaates bestellt ist. Wie bei so vielen Dingen macht uns auch hier Corona einen Strich durch die Rechnung, und wir müssen gemeinsam prüfen, was möglich ist. Diesen Entscheidungen im Rahmen der Haushaltsverhandlungen wollen und können wir dabei nicht vorgreifen.
Gleichwohl sehen wir in diesem Zusammenhang natürlich auch die Notwendigkeit, die aktuell verfügbaren Bundesmittel jetzt so weit wie möglich zu nutzen und die gut gefüllten Fördertöpfe auch in die Reaktivierung von sächsischen Eisenbahnstrecken zu lenken. Ohne die Bundesmittel werden wir diese umfangreichen Baumaßnahmen nicht umsetzen können. Dafür müssen selbstverständlich heute schon die Weichen gestellt werden. Denn die ländlichen Regionen wollen wir attraktiver gestalten – und dies gelingt nur mit einem guten und attraktiven Zugang zum Öffentlichen Personennahverkehr.
Und da sind wir auch beim nächsten Punkt: Die Verbindungen müssen attraktiver werden! Es nützt nichts, die Strecke Meißen – Döbeln wieder fit zu machen, wenn man nicht direkt bis zum Dresdner Hauptbahnhof durchfahren kann. Hier gilt es, mit den Verkehrsverbünden ein gutes Konzept auszuarbeiten. Und da ist bei der Anbindung Meißen – Döbeln, anders als im Linken-Antrag formuliert, der VVO anstatt der VMS in der Pflicht.
Dass die Kosten für die Bestellung aber nicht allein auf den Zweckverbänden lasten können, ist dabei für uns BÜNDNISGRÜNE selbstverständlich. Hier muss es einen konstruktiven Austausch und eine faire Kostenteilung geben.
Denn am Ende steht ja auch die Frage: Welcher öffentliche Nahverkehr, insbesondere im ländlichen Raum, kann denn kostendeckend erfolgen? Hier sehen wir den Freistaat natürlich auch deutlich in der Pflicht, die Kosten der politisch gesteckten Ziele gerecht zu verteilen.
Auf der anderen Seite braucht es von den Verkehrsverbünden das klare Signal, diese Strecken am Ende auch zu bestellen. So wie es der VMS ja schon für Pockau-Lengefeld – Marienberg und Meißen – Döbeln per Beschluss der Verbandsversammlung postuliert hat.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es für jede Strecke eine klare Vereinbarung zwischen Freistaat und dem jeweiligem Verkehrsverbund über die spätere langfristige Bestellung braucht.
Die im Linken-Antrag genannten Bahnstrecken sind dabei ein Teil. Wir haben allerdings noch andere Strecken im Blick, deren Reaktivierung wir mit einer Potentialanalyse prüfen lassen wollen. Und diese Potentialanalysen können wir auch nicht einfach über den Haufen werfen. Denn um Bundesfördermittel nutzen zu können, brauchen wir sie. Der Antrag ist dahingehend inkonsistent. Einmal wird auf die Ergebnisse von Machbarkeitsstudien und Potentialanalysen verwiesen und andererseits sollen diese nicht mehr für eine Antragstellung abgewartet werden. Der Antrag der Linken wurde wohl doch mit recht heißer Nadel gestrickt. Ich frage mich auch, warum Sie die Antworten auf Ihre Anfragen zu den Streckenreaktivierungen nicht abwarten, bevor Sie einen Antrag stellen, um die notwendigen Hintergrundinformationen zu erlangen.
Ich erwarte beispielsweise nicht, dass die Ergebnisse einer sachsenweiten Potentialstudie, bei der alle in Frage kommenden sächsischen Strecken betrachtet werden, uns erst im Jahr 2022 zugehen. Stattdessen bin ich mir sicher, dass erste Einschätzungen noch in diesem Jahr getroffen werden können. Diesbezüglich bestärke ich gern Minister Dulig, die Weichen entsprechend zügig zu stellen, auf deren Basis dann weitergearbeitet werden kann.
Gleiches gilt für die Nutzung der Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Auch hier möchte ich Minister Dulig noch einmal motivieren, noch genauer hinzuschauen. Die Bundesregierung hat kürzlich bestätigt, dass auch für Strecken, auf denen noch Schienengüterverkehr fährt, GVFG-Mittel nutzbar sind. Doch um dies klar zu machen, bedarf es aus meiner Sicht keines Antrages an die Staatsregierung.
Aber wie gesagt, auch für die Hebelung von Bundesfördermitteln braucht es in der Regel eine Kofinanzierung. Und dies ist bei Investitionen in die Schiene kein Pappenstiel. Da muss ich mich wiederholen: mit dem Vorbehalt der Haushaltsverhandlungen. Hier sind wir gezwungen, uns alle noch einmal in die Augen zu schauen – und herauszufiltern, was aktuell möglich und vernünftig ist und was eventuell noch ein paar Jahre länger warten muss.
Ich bin gespannt, ob die Linke künftig auch eine eigene politische Agenda hat oder sich erst mal weiterhin im Abschreiben des Koalitionsvertrages übt.
Wir lehnen den Antrag der Linken daher ab
Verkehr | | 25.03.2021