Schutz öffentlicher Wege, Straßen & Plätze – Liebscher: Es braucht eine umfassende und transparente Bestandsaufnahme

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
werte Kolleginnen und Kollegen,

ein umfangreiches, feinverzweigtes Wegenetz ist ohne Frage eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale für den Rad- und Fußverkehr. Damit wir im Alltag, aber auch in der Freizeit gern zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, braucht es direkte, kurze Verbindungen, die keine Umwege erfordern. Ein solches dichtes Wegenetz aus großen, aber auch vielen kleinen Wegen in Sachsen zu erhalten, ist ein hohes Gut und daher natürlich unser Ziel.

Die Intention sowohl des ursprünglichen Gesetzentwurfs als auch des Änderungsantrages der Fraktion DIE LINKE, den Bestand an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen zu sichern, können wir BÜNDNISGRÜNE daher grundsätzlich gut nachvollziehen. Und auch wir sehen an der ein oder anderen Stelle Nachsteuerungsbedarf, was die Eintragung der Straßen in die Bestandsverzeichnisse und die öffentliche Beteiligung angeht. Das will ich gleich zu Anfang einräumen.

Allerdings schießen die vorliegenden Initiativen der Einreicherin nach wie vor über das Ziel hinaus und wägen weder die Erfordernisse in den Kommunen noch die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger ausreichend ab.

Grundsätzlich begrüßen wir, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf und die Streichung der Absätze 3 und 4 des § 54 Sächsischen Straßengesetz als Konsequenz aus der Anhörung zurückgenommen beziehungsweise durch einen Änderungsantrag angepasst wurden. Dadurch erkennt die Linksfraktion an, dass es der Rechtssicherheit bezüglich der Wegewidmung über die Eintragung in die Bestandsverzeichnisse bedarf. Die Beibehaltung der fiktiven Wegewidmung ist damit vom Tisch und das ist gut so.

Allerdings sind auch die neuerlich eingebrachten Vorschläge nicht umsetzungstauglich:

Auch wenn man anerkennt, dass die aktuelle Fristsetzung zur Eintragung in die Bestandsverzeichnisse die Kommunen vor Herausforderungen stellt, und das tun wir, ist eine Verlängerung der Frist um zehn Jahre aus unserer Sicht viel zu weit gegriffen. Wir befürchten dadurch ein erneutes „aus dem Blick geraten“ der Problematik. Stattdessen sollten Zeithorizonte gewählt werden, die sowohl überschaubar als auch machbar sind. Eine Fristverlängerung bis Ende 2030 würde die Kenntnis, ob eine Straße 1993 – also 37 Jahre zuvor – ausschließlich öffentlich oder betrieblich genutzt war, nicht wirklich vereinfachen. Bereits heute ist dies teils nicht mehr nachvollziehbar. Dies war einer der Gründe, warum das Sächsische Straßengesetz 2019 entsprechend geändert wurde. Rechtssicherheit sollte hergestellt werden.

Über eine angemessene Fristverlängerung sind wir derzeit im Gespräch und werden auch weitere Problemstellungen in diesem Zusammenhang erörtern:

So wurde beispielsweise in der Handhabung der Landeshauptstadt Dresden deutlich, wie unterschiedlich das Gesetz interpretierbar ist. Das Gesetz intendiert, dass Personen, die berechtigtes Interesse an der Eintragung eines Weges, einer Straße oder eines Platzes haben, dies den Gemeinden mitteilen können. Entsprechend der Gesetzesbegründung wurden jedoch zunächst nur Vorschläge von Anliegern im nahen Umfeld als berechtigt anerkannt. Die umfangreichen Vorschläge von Vereinen, Verbänden und den politischen Gremien, nach dem breiten öffentlichen Aufruf der Stadtverwaltung, würden so gänzlich nichtig.

Ein entsprechender Eilantrag zur Heilung dieser Problematik und zur Erstellung und politischen Abwägung eines Verzeichnisses über die bestehenden öffentlichen und nicht-öffentlich gewidmeten Wege sowie der Vorschläge zur Aufnahme in das Bestandsverzeichnis wurde kürzlich von CDU und BÜNDNISGRÜNEN in den Dresdner Stadtrat eingebracht.

Letzteres, eine Generalrevision war ursprünglich auch eine Forderung des Sächsischen Städte- und Gemeindebundes im Rahmen der Änderung des Straßengesetzes 2019. Ein solches Bestandsverzeichnis ist allerdings in den meisten Kommunen nicht umgesetzt worden, da es weder eine derartige Empfehlung noch die notwendigen Finanzmittel gab. Chemnitz ist da ein rühmlicher Vorreiter. In anderen Kommunen wird noch mit Karteikarten gearbeitet, statt mit modernen Geoinformationssystemen. Von der Transparenz dieser Karteiregister brauche ich jetzt nichts zu erzählen.

Die Sachverständigenanhörung im März verdeutlichte, dass jede Kommune das Gesetz und dessen Begründung unterschiedlich interpretiert und im Zweifelsfall eher restriktiv mit der Angelegenheit umgeht, als die wichtigen vorhandenen Spielräume auch im Sinne der öffentlichen verkehrswichtigen Wegeverbindungen ausreichend zu nutzen.

Denn machen wir uns nichts vor. Letzten Endes hängt ein großer Teil an den Finanzen. Mehr Straßen, Wege und Plätze in den Bestandsverzeichnen in den Kommunen und damit unter öffentlicher Widmung bedeutet auch mehr Unterhaltungslast und Kosten für die Gemeinden.

Werte Kolleginnen und Kollegen,

die unterschiedliche Handhabung in den Kommunen und Fristproblematik lässt uns aufhorchen und verdeutlich den Handlungsbedarf durch den Gesetzgeber an dieser Stelle. Das wurde auch in der Sachverständigenanhörung deutlich. Die Problemlösung sollte allerdings nicht pauschal mit der Holzhammermethode und unabgestimmt mit den Kommunen erfolgen. Bei der Forderung des Linken-Änderungsantrags, sämtliche Wege ausnahmslos in die Bestandsverzeichnisse aufzunehmen, sind die daraus folgenden rechtlichen und finanziellen Konsequenzen für die Kommunen überhaupt nicht absehbar. Solche umfangreichen Änderungen sollten nicht ohne deren Konsultation auf den Weg gebracht werden. Das war weder Gegenstand der Anhörung noch wurde dies von einem der Sachverständigen so gefordert.

Vielmehr wurde deutlich, dass es Handlungsempfehlung für die Kommunen braucht, die sich an der aktuellen Rechtsprechung anlehnen. Und dass, so wie es Chemnitz vorgemacht hat und nun auch der Dresdner Stadtratsantrag von CDU und BÜNDNISGRÜNEN intendiert, es eine umfassende und transparente Bestandsaufnahme, als Grundlage für eine fachpolitische Entscheidung in Abwägung aller Belange braucht.

Den Antrag der Linksfraktion lehnen wir daher ab.

Verkehr | | 23.06.2021

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