Staatliche Preiskontrollen – Liebscher: Stärkung des Kartellrechts ist ein wichtiger Schritt

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,

die derzeitigen Preissteigerungen führen uns schmerzhaft klar vor Augen, in welch bittere Abhängigkeit uns die Energiepolitik der letzten Jahrzehnte gebracht hat. Vor uns liegt der Winter, der unsere Solidarität auf die Probe stellen soll. Eines kann man nicht beschönigen: Die kommenden Monate werden unserer Gesellschaft Durchhaltevermögen abverlangen. Die steigenden Preise in der Grundversorgung, in Folge des Gas-Lieferstopps, stellen für viele Menschen und auch Unternehmen Härten dar. Es macht mich daher besonders betroffen, wie perfide darüber hinaus mit Falschinformation, Sorgen und Ängsten der Menschen geschürt werden, um daraus politischen Profit zu schlagen. Der Weg der Regierungskoalitionen ist daher mehrschichtig, um der aktuellen, Energiepreis -getriebenen Teuerung zu begegnen: Die erste Priorität war klar: Die Sicherstellung der Versorgung. Der Gesamtspeicherstand in Deutschland liegt, Stand 09. November 2022, bei 99,55 Prozent. Die Versorgung ist gedeckt. Der zweite Schritt ist für uns BÜNDNISGRÜNE ebenso klar: Die Eindämmung der Belastung der Preissteigerung. Und zwar gezielt, für vulnerable Gruppen. Mit der mehrstufigen Entwicklung von Entlastungen steuert die Bundesregierung finanziell gegen, entlastet gezielt. Die Gaspreisbremse kommt. Drittens: Gleichzeitig ist es unser Auftrag – unser stetiger Auftrag im Übrigen – die gesellschaftlichen regulatorischen Rahmenbedingungen zu verbessern. Wir schaffen das passende Werkzeug für den Umgang mit dieser wie auch künftigen Krisen. Der vorliegende Antrag der Linken fordert nun, analog zur laufenden Plakatkampagne im Nachbarland Sachsen-Anhalt, die Einführung von staatlichen Preiskontrollen und einer Preisaufsicht.

Werte Damen und Herren,
natürlich ist der Staat sicher nicht der Richtige, um Preise auf dem Markt festzulegen. Weder Informationsangebot noch Aufwand stehen dazu in sinnvollem Verhältnis. Ganz zu schweigen vom Verlust wettbewerblicher Anreizsetzung. Doch. Genauso richtig ist: Der Wettbewerb bestimmt eben nicht in allen Bereichen die Preise! Insbesondere bestehen Märkte, in denen Monopolbildung die Preisbildung beherrscht ODER aber der Markt so überschaubar ist, dass die Preise schnell nach oben angeglichen werden. Ihre Anliegen wären also nun fachlich genauer zu prüfen. Was ich bedaure ist nur, dass nichts Substantielles zum Anliegen im Antrag zu finden ist! Fachlich sind ja Lösungen gern zu diskutieren. Aber ernsthaft, meine Damen und Herren, zur systematischen Etablierung gezielter Maßnahmen braucht es etwas mehr Substanz als in einen Plakatslogan passt! Wie stellen Sie sich denn die Ausgestaltung der Preiskontrollen und der effizient funktionierenden Preisaufsicht denn ganz genau vor? In Ihrer Begründung verweisen Sie auf die Abschaffung der Preisaufsicht der Bundestarifordnung Elektrizität. Diese Tarifordnung wich 2007, nach der Öffnung der Netze für alle Stromanbieter, der Anwendung des Kartellrechts. Durch die Arbeit der Bundestarifordnung Elektrizität – kurz BTOElt – so lautete 2007 zumindest der Sonder-Bericht der Monopolkommission, fand – ich zitiere den wissenschaftlichen Dienst der Bundesregierung: „fand eine wirksame Effizienzkontrolle in der Praxis nicht statt. Vielmehr wurde eine kostenzuschlagsorientierte Preisregulierung auf der Basis vergangenheitsbezogener Ist-Kosten der (Quasi-)Monopolisten durchgeführt (…).“ Wir sehen an diesem Beispiel, dass sich die von Ihnen geforderte effektive Wirksamkeit einer Preisaufsicht nicht zuletzt eine Frage der Wahl des Mittels ist.

Meine Damen und Herren,
statt der ex-ante Preisregulierung, wie im genannten Beispiel der Bundestarifordung Elektrizität, fordern wir BÜNDNISGRÜNE die Erhöhung der Markttransparenz und den Ausbau Ordnungspolitischer Mittel.

Werfen wir einen Blick auf die Bundesebene, an die sich Ihr Antrag ja richtet: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz legte just im September einen Vorschlag zur Stärkung des Kartellrechts vor. Mit der Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung soll genau das passieren:

Es erleichtert die Nachweisführung und Abschöpfung von Übergewinnen. Marktmacht darf nicht missbraucht werden! Es erlaubt dem Kartellamt, nach der Sektoruntersuchung konkrete Maßnahmen einzuleiten. Der gleichberechtigte Zugang zum Markt für kleine Unternehmen muss gesichert werden! Es schafft die Möglichkeit zur Entflechtung von Konzernen und zur Fusionskontrolle – und zwar unabhängig von Missbrauch der Marktmacht. Die Position von Staat und Gemeinwohl muss gegenüber Konzernen strukturell sicher gestellt werden!

Mit diesen Maßnahmen wird die Marktbeherrschung einzelner Konzerne strukturell eingedämmt. Damit stärken wir den ordnungspolitischen Handlungsrahmen unseres Staates – ohne ihn mit allen Details der Preisfindung zu überfrachten.

Vielen Dank.

Arbeit & Wirtschaft | | 10.11.2022

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