Vergabegesetz – Liebscher: Wirtschaftlich ist das, was unsere Gesellschaft nachhaltig voranbringt

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

das Finanzvolumen, das wir als Freistaat und die sächsischen Kommunen jährlich umsetzen, ist enorm: Freistaat und Kommunen in Sachsen vergeben im Jahr öffentliche Aufträge im Wert von mehr als drei Milliarden Euro.

Für uns BÜNDNISGRÜNE ist klar: Öffentlichen Geldern, also „Steuergeldern“, kommt eine Steuerungsfunktion zu. Wer über öffentliche Gelder verfügt, trägt die Verantwortung und vor allem auch die Chance, diese im Sinne des Gemeinwohls einzusetzen.

Viele der Anregungen des Gesetzentwurfes der Linksfraktion sind mir daher sympathisch. Denn auch wir BÜNDNISGRÜNE sagen, die Beschaffungspraxis der öffentlichen Hand muss an Kriterien der Nachhaltigkeit gebunden werden.

Es geht um wirtschaftliche Resilienz, meine Damen und Herren, es geht um Fachkräftesicherung und es geht darum, unsere Wirtschaft durch die nachhaltige Transformation zu begleiten.

Wer sollte also die Ziele, die die Linksfraktion in ihrem Entwurf vorschlägt, ablehnen? Natürlich wollen wir die Beschäftigten stärken. Natürlich brauchen wir endlich eine Tarifbindung öffentlicher Aufträge. Die Verwaltung kann nicht bei Aufträgen an Unternehmen schlechtere Löhne finanzieren, als wir den eigenen Angestellten im öffentlichen Dienst zahlen. Wer könnte dagegen sein, den Mittelstand und ausbildende Betriebe zu stärken? Wer sollte dagegen sein, die Ziele unserer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie in Bereichen des Umwelt- und Klimaschutzes auch im Vergabegesetz umzusetzen? Wer wird sich erwehren, die Wahrung internationaler Kernarbeitsnormen, wie den Ausschluss von Kinderarbeit, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu beachten? Wer sollte dagegen sein, die wirtschaftliche Souveränität unseres Freistaats durch Beschaffung kreislauffähiger Produkte zu stärken?

Daher haben wir uns prominent im Koalitionsvertrag der Aufgabe verschrieben, das Sächsische Vergabegesetz zu novellieren: Wir wollen das Gesetz an die aktuellen Bundesregelungen anpassen. Wir werden soziale und ökologische Kriterien einführen. Und wir werden eine Regelung zur Tariftreue und dem vergabespezifischen Mindestlohn treffen.

Der Gesetzentwurf der Linksfraktion kommt daher nicht überraschend – es ist ihr Job, aus der Opposition heraus unsere Arbeit kritisch zu begleiten.

Und sicher: Auch wir hätten den Gesetzentwurf der Koalition bereits gern präsentiert. Aber: Der Entwurf der Koalition ist in Arbeit und er wird drei Farben tragen. Er wird damit die Stärken der drei koalitionstragenden Fraktionen in sich verbinden und so die Beschaffung im Land nachhaltig verbessern.

Dem vorliegenden Gesetzentwurf hingegen können wir als BÜNDNISGRÜNE nicht zustimmen. Er ist zum einen handwerklich nicht gut gemacht. Es gibt einige Widersprüche im Gesetzestext und es gibt Logikfehler. Der vorliegende Gesetzentwurf geht in unseren Augen aber auch regulativ weit über das hinaus, was wir der Verwaltung vorschreiben wollen und was in der Praxis alltäglichen Verwaltungshandeln umsetzbar ist.

Werte Damen und Herren,
viele hier werden mir zustimmen: Ein gutes Gesetz zu schreiben, ist schwer – aber die gute Umsetzung ist noch weit schwerer.

Genau das ist unser BÜNDNISGRÜNES Ziel: Wir wollen die Umsetzung nachhaltiger Beschaffungspraxis im Land voranbringen. Wir werden dafür die personell völlig unterbesetzten kleinen Kommunen im Freistaat dabei unterstützen, nachhaltig zu beschaffen. Deshalb haben wir neben der Arbeit am Gesetz bereits die Finanzierung von Beratungsstrukturen zur nachhaltigen Beschaffung im Haushalt verankert.

Was wir brauchen, ist nichts weniger als einen kulturellen Wandel in den Köpfen, in den Verwaltungen und in den Rathäusern. Wir brauchen einen modernen Wirtschaftlichkeitsbegriff. Denn wirtschaftlich ist das, was keine unsichtbaren Kosten für Mensch oder Natur verursacht. Wirtschaftlich ist das, was lange hält, was es verspricht. Und wirtschaftlich ist das, was unsere Gesellschaft nachhaltig voranbringt.

Arbeit & Wirtschaft | | 15.03.2023

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