1800 Menschen demonstrieren in Plauen gegen Rechtsextremismus
Menschen aus dem ganzen Vogtland kamen am Samstag auf den Plauener Altmarkt, um Flagge gegen rechtsextremes Gedankengut zu zeigen. Viele Redner aus Gesellschaft und Politik fanden klare Worte.
Plauen. Es ist 12.45 Uhr am Samstagnachmittag in Plauen. Aus den Seitenstraßen der Altstadt strömen Menschen zum Altmarkt. Viele haben Plakate mitgebracht, bunte Fahnen. 900 Personen sind es, da hat die erste Demonstration gegen Rechtsextremismus im Vogtland nach Bekanntwerden der Recherchen des Correctiv-Netzwerks noch gar nicht begonnen. Und es werden mehr. Am Ende zählt die Kreisbehörde 1800 Vogtländer, die sich auf dem Altmarkt versammeln. Es sind deutlich mehr, als Anmelder Jonas Uhlig erwartet hatte. "Als ich auf die Bühne trat, war ich sprachlos", sagt er.
Es ist die erste Protestveranstaltung gegen Rechtsextremismus in Plauen seit Jahren, die auf derart große Resonanz stößt. Vertreter verschiedener Parteien und Initativen, aber auch viele Privatpersonen haben sie organisiert. Vertreter aus Kunst und Kultur sind vor Ort, Politiker, Mitglieder von Verbänden und Organisationen, viele Privatpersonen, Familien, Junge, Alte.
Als eine der ersten Redner tritt Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) auf die Bühne. Die Auerbacherin verweist auf die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, die am Freitagabend in den ARD-Tagesthemen gesagt hatte: "Ich hätte es nie gedacht, dass es wieder so kommen würde, denn so hat es ja damals auch angefangen." Yvonne Magwas dazu: "Da sind Worte, die einen zum Weinen bringen."
Es gebe eine "erschreckende Zustimmung" für rechtsextreme Parteien. "Sie vergiften das politische und gesellschaftliche Klima", sagt Magwas und meint nicht nur Thüringens AfD-Chef Björn Höcke. Sie warnt auch vor AfD-Politikern aus dem Vogtland. "Lupart, Rink und Weiser: Sie hassen und sie hetzen, ohne Scham, ohne Gewissen, ohne Menschlichkeit." Magwas sorgt sich vor den Wahlen dieses Jahr. "Ich möchte nicht in einem Land leben mit einer rechtsextremistischen Regierung." Sie wolle ein Zeichen für eine starke EU setzen, ein demokratisches Miteinander, einen gemeinsamen Kampf gegen Rechtsextremismus. Es sei nicht alles eitel Sonnenschein in Deutschland. "Aber wir sind uns einig: Wir wollen keine Rechtsradikalen als vermeintlich normale Gesprächspartner."
Sophie Hess, Schauspielerin am Theater Plauen-Zwickau, warnt vor Folgen für Kunst und Kultur, falls die AfD an die Macht käme: Diese würde mitreden, etwa bei Spielplänen. "Das darf sich eine demokratische Gesellschaft nicht gefallen lassen." Die Plauener SPD-Landtagsabgeordnete Juliane Pfeil mahnt, sich von der AfD nicht auseinanderdividieren zu lassen und parteiübergreifend gegen Rechtsextremismus zu kämpfen. Weitere Redner waren unter anderem Rechtsanwalt Herbert Posner, Ralf Hron (DGB) oder Ex-Grünen-Stadtrat Jürgen Lösche.
Sven Pruß-Delitsch, Vorstand der Diakonie Auerbach, Selbsturteil "klassischer CDU-Wähler": "Nein, nicht jeder AfD-Wähler ist ein Faschist. Aber: Wer diese Menschen wählt, macht sich zum Steigbügelhalter von Faschisten." Und: "Nein, liebe AfD, diese Demo ist nicht bestellt." Kritiker der bundesweit stattfindenden Demos gegen Rechtsextremismus behaupten, dahinter stecke die Bundesregierung. Pruß-Delitsch verweist auf nötige Zuwanderung auch im Vogtland. So gebe es im Göltzschtal nur noch einen einzigen Frauenarzt. "Auch AfD-Wählerinnen sind froh, dass sie ihn haben." Problem seien nicht die Ausländer, sondern dass Integration gelingen müsse.
Grünen-Landtagsmitglied Gerhard Liebscher verweist auf viele Ausländer, die im Vogtland arbeiten, so am Plauener Helios-Klinikum. "Es kann ja dort mal einer ,Ausländer raus' rufen. Dann steht der Laden. Dann passiert nix mehr".
Nach fast zwei Stunden endet die Demo. Ein sehr gut besuchtes Friedensgebet in der Lutherkirche folgt. CDU-Stadtchef Jens Schmidt bekennt hier einen "Verlust des Zuhörens, nur noch schwarz und weiß", mahnt auch zu Selbstkritik.
Goldschmied und 1989-er Protagonist Steffen Kollwitz sieht auch eine Politik, die sich schwertue mit Antworten auf drängende Fragen. Stadträtin Diana Zierold war bei aller Sorge dankbar. "Wir haben es heute geschafft, ein Zeichen zu setzen."
Offen ist, ob es weitere Demos gegen Rechtsextremismus in Plauen geben wird. Laut Organisator Uhlig wolle man sich zusammensetzen und den Tag auswerten. Eine Spendenaktion läuft: Demo-Teilnehmer waren aufgerufen, in ein rosa Sparschwein einzuzahlen. Das Schwein heißt wie Höcke: Björn.
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Dieser Artikel ist in der Freien Presse erschienen.
Arbeit & Wirtschaft | | 27.01.2024