Corona-Hotspot Vogtland: Kreisbehörde in der Kritik, Landrat schweigt zur aktuellen Lage | Freie Presse - Plauen

Als problematisch bewertet Liebscher auch die Kommunikationspolitik: "Ich sehe Bedarf in einer transparenteren Öffentlichkeitsarbeit." Kathleen Kuhfuß, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im sächsischen Landtag, fordert die Schaffung eines Landesgesundheitsamtes. "Die aktuelle Situation zeigt deutlich, dass verschiedene Strukturen im Gesundheitswesen nicht funktionieren."

Das Landratsamt des Vogtlandkreises hatte am Montag eingeräumt, dass es aufgrund vieler Neuinfektionen und zahlreicher erkrankter Mitarbeiter im Gesundheitsamt zu einem Rückstau bei der Abarbeitung der Coronafälle gekommen war. Über die Feiertage wurde der Rückstau abgearbeitet, in der Folge hatte sich die Inzidenz binnen weniger Tage vervielfacht. Der Vogtlandkreis lag am Dienstag mit einer Inzidenz von 653,1 auf dem bundesweiten Spitzenplatz.

Der Oelsnitzer AfD-Landtagsabgeordnete Ulrich Lupart verlangt Aufklärung: "Die offenbar schon länger bekannten Schwachstellen hätte das Landratsamt vorab transparent kommunizieren müssen. So haben sich viele Vogtländer während der Festtage durch niedrige Inzidenzwerte in trügerischer Sicherheit gefühlt. Das hätte so nicht passieren dürfen."

Die Schwachstellen müssten beseitigt werden. "Die liegen vor allem in der Datenübermittlung, wie mir der Landrat auf Nachfrage heute am Telefon erläutert hat. Dass hier noch mit Fax gearbeitet wird, kann eigentlich nicht sein, ist aber leider so. Rolf Keil hat mir jedoch versprochen, dass diese tägliche Meldung des Gesundheitsamtes ab Januar digitalisiert wird."

Landrat Keil äußerte sich wie bereits am Montag auch am Dienstag öffentlich nicht zu der aktuellen Situation.

Kritik übt unterdessen auch die Vogland-FDP. "Wir vermissen einen offenen Umgang mit der Situation und eine langfristige Strategie für die kommenden Monate. Der Landkreis hat mit seiner wechselhaften Kommunikation dazu beigetragen, dass die Akzeptanz für Schutzmaßnahmen unter der Bevölkerung gelitten haben", so Kreischef André Ludwig.

Die Liberalen haben einen Fragenkatalog an den Landrat gesendet. So will die Vogtland-FDP wissen, ob es den erheblichen Rückstau bei der Fallbearbeitung bereits beim Besuch des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) am 11. Dezember gegeben hatte. An jenem Tag hatte Landrat Keil den Landeschef im Gesundheitsamt in Plauen empfangen. "Die Situation im Vogtland ist noch unter Kontrolle, weil hier konsequent gehandelt wird", äußerte sich der Landeschef damals lobend gegenüber Medien. Nach "Freie Presse"-Informationen gab es schon zu dieser Zeit Probleme im Gesundheitsamt, alle Fälle zügig abzuarbeiten.

Zahlreiche "Freie Presse"-Leser schilderten am Dienstag von ihren jüngsten Erfahrungen mit dem Gesundheitsamt. Die Corona-Hotline sei zum einen nur schwer zu erreichen. Zum anderen berichteten Leser von mit deutlicher Verzögerung eingehenden Behördenanordnungen nach positiven Coronatests. In einem Fall erreichte eine Auerbacherin am 19. Dezember ein Schreiben des Landratsamtes - darin wurde sie aufgefordert, bis zum 5. Dezember in Quarantäne zu bleiben.

Auch im Netz sorgte der Fall-Rückstau im Vogtland für Diskussionen. "Es wird höchste Zeit, dass sich im Landratsamt etwas ändert! Schnellstmögliche Neuwahlen sind das Richtige", kommentierte ein Nutzer auf der Homepage der "Freien Presse". Andere warben um Verständnis für die schwierige Situation im Umgang mit der Pandemie: "An die ewigen Meckerer und Ningler: Herzlichen Glückwunsch zur 100 prozentigen Fehlerfreiheit in ihrem Arbeitsleben!" Auch auf die geringe Personalstärke des Gesundheitsamt mit Blick auf die vielen Neuinfektionen wiesen User hin: "Eine vollumfängliche Betreuung und Kontaktnachverfolgung durch die normale Besetzung des Gesundheitsamtes ist bis zu einer Inzidenz von 50 möglich - sofern das Gesundheitsamt nahezu alles andere stehen und liegen lässt. Derzeit ist der Wert bei etwa 500 Fällen. Das Personal des Gesundheitsamtes wurde auf 135 + 15 = 150 Leute aufgestockt. Wenn eine Verzehnfachung einer Vervielfachung mal 3 gegenübersteht - wie bitte soll das funktionieren, ohne dass es zu Verzögerungen kommt?"

 

 

Arbeit & Wirtschaft | | 30.12.2020

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