Grüne Landesliste für die Sächs. Landtagswahl 2024 in Chemnitz gewählt
Die Partei geht mit einem Spitzentrio in den Wahlkampf. Die Partei tritt selbstbewusst auf und will wieder mitregieren. Sachsen dürfe nicht einem Ministerpräsidenten überlassen werden, der aus Angst vor der Zukunft nur Lösungen aus der Vergangenheit parat habe und auf Spaltung setze.
Sachsens Grüne haben am Samstag in Chemnitz 30 Listenkandidaten für die Landtagswahl am 1. September gewählt. Knapp 120 Delegierte stimmten im Carlowitz Congresscenter zunächst über das Spitzentrio ab, dass nach einem Votum des Landesparteirats vom letzten Sommer ohnehin feststand: Justizministerin Katja Meier, Umweltminister Wolfram Günther und Fraktionschefin Franziska Schubert.
Meier erzielte 92,79 Prozent der Stimmen, Günther 91,3 Prozent und Schubert landete bei 80 Prozent – letztere wohl deshalb mit deutlichem Abstand, weil sie vom linken Parteiflügel eher argwöhnisch beäugt wird. Schubert hatte etwa in der Migrationspolitik mehr Realismus gefordert.
Wolfram Günther verwies in seiner Bewerbungsrede auf grüne Regierungserfolge bei der Wirtschaftsförderung und eine Rohstoffstrategie. Alles habe „gegen erbitterte Widerstände durchgesetzt“ werden müssen und mit Blick auf den Regierungspartner CDU. „Die Arbeit in dieser Koalition ist wirklich Nahkampf ist. Man kann sich auf nichts verlassen.“
Meier kritisierte Regierungschef Kretschmer für dessen Agieren in der Koalition. „Ich bin nicht bereit, die Zukunft unseres Landes einem Ministerpräsidenten zu überlassen, der aus Angst vor der Zukunft nur Lösungen aus der Vergangenheit parat hat und auf Spaltung statt auf Haltung setzt.“ Neben grünen Kernthemen wie Klimaschutz stellte sie die Demokratie in den Vordergrund. Für das Vertrauen in den Rechtsstaat müsse klar sein, „dass kein Mensch Angst haben muss, einem Rechtsextremisten auf der Richterbank gegenüberzusitzen“. In Meiers Amtszeit war der rechtsextreme Ex-Richter und Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier in den vorzeitigen Ruhestand geschickt worden.
Dennoch will die Partei weiter mitregieren. Bei der letzten Landtagswahl 2019 hatten die sächsischen Grünen 8,6 Prozent der Wählerstimmen bekommen. Derzeit liegen sie in Umfragen bei sieben Prozent, zusammen mit SPD und CDU hätte die amtierende Kenia-Koalition noch gerade so eine Mehrheit.
Franziska Schubert meldete sich per Video, weil sie kurz vor der Geburt ihres Kindes steht. „Unser Programm ist der Kontrast zu dem, was die Sachsen-CDU anbietet“, sagte sie gegenüber der „Freien Presse“. „Da geht es doch schon lange nicht mehr um Inhalte, sondern nur noch ums Dagegensein, das Blockieren von notwendigem Fortschritt und das Fischen am rechten Rand.“ Sie hoffe, dass Wähler nicht wieder taktisch für die CDU stimmten, weil sie nicht mehr darauf vertrauen könnten, dass diese nicht doch mit der AfD oder einem Wagenknecht-Bündnis klüngle.
Die Wahl der ersten sieben Listenplätze verlief geräuschlos. Sieben Minuten Vorstellungsrede, elektronische Abstimmung, Ergebnis, der Nächste bitte. Traditionell dominieren die Parteiverbände der Großstädte die vorderen Plätze, weil die Grünen dort auch die meisten Mitglieder haben. In Leipzig hatten die Grünen bei der letzten Landtagswahl zwei Direktmandate und in Dresden eins geholt. Aktuell ist die Partei mit zwölf Abgeordneten im Landtag vertreten.
Auf Platz vier wählten die Delegierten den Innenpolitikexperten und Fraktionsvize Valentin Lippmann aus Dresden. Die Landtagswahl werde auch eine Entscheidung darüber, ob Politik bereit sei, die Freiheit zu verteidigen. Lippmann kritisierte, dass sich CDU-Politiker wie der Bautzner Landrat Udo Witschas Verfassungsfeinden anbiedern würden, wenn sie davon sprächen, „eine Brandmauer gegen Rechtsextremisten würde den Volkswillen ignorieren und eine Zusammenarbeit mit der AfD sei demokratische Verpflichtung“. Das sei brandgefährlich.
Platz fünf und sechs gingen an die Landtagsabgeordneten Christin Melcher und Claudia Maicher aus Leipzig, Platz 7 an Coretta Storz aus Chemnitz. Storz arbeitet bisher für den Landtagsabgeordneten Volkmar Zschocke, der nicht mehr antritt.
Auf Platz acht gab es die erste Kampfkandidatur. Die Leipzigerin und Co-Parteichefin Marie Müser war mit nur kurzem Vorlauf gegen Markus Scholz aus Mittelsachsen und den Tischlermeister Olaf Horlbeck aus dem Vogtland angetreten. Müser hatte sich lange nicht zu einer Kandidatur geäußert, auf Nachfrage der „Freien Presse“ vor einem Jahr hatte sie das offengehalten, wenn, dann „nicht auf einem der vorderen Plätze.“
Müser scheiterte schon im ersten Wahlgang und trat danach nicht mehr an. Die 26-Jährige war im Vorfeld gewarnt worden, auch weil sie noch als relativ unerfahren gilt, während ihr Konkurrent Scholz sich als Landtagsnachrücker schon eingearbeitet hatte. In der CDU wäre solche ein Scheitern um einen Platz auf der Landesliste wohl der politische Todesstoß, bei den Grünen heißt es, das habe keine Auswirkungen auf den Vorsitz, auch weil Parteichefs eine deutlich geringere Macht hätten als bei anderen Parteien.
Für andere lohnte sich Nervenstärke und eine lange Leidensfähigkeit am Ende doch noch. Petra Cagalj Sejdi vom Kreisverband Leipzig trat ab Nummer 9 für vier Listenplätze an, verlor jedes Mal deutlich und setzte sich erst auf Listenplatz 15 durch. Auch der Vogtländer Olaf Horlbeck musste drei Mal antreten, bis er auf Listenplatz 14 die meisten Stimmen erhielt.
Als prominente Gastrednerin hatte am Freitagabend die frühere Grünen-Bundeschefin Claudia Roth gewarnt, bei diesen Wahlen stehe die Zukunft der deutschen Demokratie mit auf dem Spiel. Sachsens Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf habe die Sachsen in Sachen Rechtsextremismus als immun erklärt, weil er die Wahrheit nicht hören habe wollen. „Ich erwarte von der CDU unter Michael Kretschmer, dass sie daraus lernt, dass sie nicht die Narrative der Rechtsextremen bedient, dass sie die Ängste der Menschen ernst nimmt, aber nicht schürt“, sagt Roth. Inzwischen gehe es nicht mehr darum, die AfD als stärkste Kraft zu verhindern, sondern um den Erhalt einer stabilen demokratischen Mehrheit im Freistaat. Das sei auch in der Verantwortung der CDU. Es gebe in Sachsen zwei sehr stabile, unerschütterliche Brandmauern. „Die erste steht zwischen der AfD und dem Grundgesetz“, so Roth. „Die zweite zuverlässige Brandmauer zur AfD sind wir, die Bündnisgrünen.“
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Dieser Artikel erschien in der Freien Presse.
Arbeit & Wirtschaft | | 16.03.2024