Reaktivierung Bahnstrecke Beucha-Trebsen ist völlig offen

Das traurige Brandiser Bahnhofsgebäude kündet von besseren Zeiten an der lange stillgelegten Bahnstrecke Beucha-Brandis-Trebsen.
Die Reaktivierung der Bahnstrecke Beucha–Trebsen verzögert sich wegen hoher Kosten. Brandis’ Bürgermeister favorisiert Alternativen. Zur Muldentalbahn Grimma–Colditz steht im Sommer eine Entscheidung an.

Brandis/Trebsen/Colditz. Groß war die Freude Mitte August 2021 in den Rathäusern von Brandis und Trebsen ob eines Statements des sächsischen Verkehrsministers Martin Dulig (SPD). Dieser gab an jenem Sommertag bekannt, dass die vor knapp 20 Jahren stillgelegte Bahnverbindung Beucha-Trebsen eine von fünf Strecken im Freistaat sei, die sein Haus „intensiv und detailliert auf eine Aktivierungsmöglichkeit“ für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) hin untersuchen wolle.

Prognostiziert würden zwischen Beucha und Brandis täglich 500 bis 700 Fahrgäste, auf der restlichen Strecke bis Trebsen bis zu 300. Im vergangenen August teilte das Ministerium auf Nachfrage mit, dass im sächsischen Doppelhaushalt 2023/24 die finanziellen Mittel für Streckenreaktivierungen um knapp vier Millionen Euro aufgestockt worden seien, sodass bis 2026 insgesamt 28,6 Millionen Euro dafür zur Verfügung stünden. Nun allerdings werden die Städte Brandis und Trebsen auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Denn ein Realisierungszeitpunkt steht zweieinhalb Jahre nach der ministeriellen Verlautbarung völlig in den Sternen. „Mit einer möglichen Reaktivierung ist allenfalls mittel- bis langfristig zu rechnen“, fasst auf Anfrage die zuständige Referentin im sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Kathleen Brühl, den aktuellen Planungsstand zusammen. Auch am Trebsener Bahnhof wird so schnell kein Zug wieder Station machen.

Grund für die wenig optimistisch stimmende Prognose sei der hohe Investitionsaufwand. „Für die Umsetzung einer durchgehenden Verbindung zwischen Trebsen und dem Leipziger Hauptbahnhof ist zwingend der Bau eines zusätzlichen Gleises zwischen Leipzig-Engelsdorf und Borsdorf erforderlich, um die zusätzlichen Verkehre aufnehmen zu können“, so Brühl. Eine Kostenschätzung der Deutschen Bahn gehe von einem Projektvolumen von circa 100 Millionen Euro aus. Im Rahmen der Gespräche zu Infrastrukturmaßnahmen zur Umsetzung des Deutschlandtaktes – eines Konzeptes für einen deutschlandweit abgestimmten integralen Taktfahrplan – hätten das Bundesministerium für Digitalisierung und Verkehr und die Deutsche Bahn im November vergangenen Jahres vereinbart, den gesamten Knoten Leipzig hinsichtlich der erforderlichen Infrastrukturbedarfe zu untersuchen, inklusive der zusätzlich benötigten Gleise. „Das Ergebnis bleibt abzuwarten, auch im Hinblick einer möglichen Finanzierung seitens des Bundes“, so die Ministeriums-Referentin. Eine Finanzierung aus Landesmitteln übersteige die haushalterischen Möglichkeiten des Freistaates vor dem Hintergrund zahlreicher weiterer anstehender Schienenprojekte, welche der Kofinanzierung mit Landesmitteln harrten.

Laut dem verkehrspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im sächsischen Landtag, Gerhard Liebscher, bedeutet dies de facto die Zurückstellung des Projektes, bis die infrastrukturellen Voraussetzungen geklärt sind. „Wir plädieren dafür, dass im Rahmen der Umsetzung des Deutschlandtaktes die erforderlichen Infrastrukturbedarfe des gesamten Knotenpunktes Leipzig untersucht werden. Hier sehen auch wir den Bund und die Deutsche Bahn in der Verantwortung“, so Liebscher. Seine Fraktion erwarte, dass die Prüfung zeitnah umgesetzt und schnell Ergebnisse vorgelegt werden, um die Reaktivierung der Strecke Beucha-Brandis-Trebsen durch den Freistaat entsprechend weiter vorantreiben und eintakten zu können. „Es ist und bleibt unser Ziel, so schnell wie möglich wieder Züge auf stillgelegte Strecken zu bekommen und das ÖPNV-Angebot deutlich zu verbessern.“

Brandis’ Bürgermeister Arno Jesse (SPD) reagiert auf die neuen Informationen aus dem sächsischen Verkehrsministerium mit einem Verweis auf Alternativen, die aus seiner Sicht zu prüfen wert sind. „Zweifellos wäre eine Direktverbindung nach Leipzig für die Fahrgäste die attraktivste Variante. Daneben sind aber noch zwei weitere Varianten betrachtet worden. Nämlich einmal die einer Flügelung der Linie S1 ab Beucha-Brandis nach Trebsen sowie die eines reinen Pendelverkehrs zwischen Beucha-Brandis und Trebsen.“

Auch wenn ohne Zweifel die meisten Fahrgastzuwächse mit der zusätzlichen schnellen Direktverbindung zum Leipziger Hauptbahnhof zu erwarten seien, hielten er und sein Trebsener Amtskollege diese nicht für die einzige gute Möglichkeit. „Tatsächlich gibt es aus unserer Sicht nicht nur prüfenswerte Alternativen. Sondern es haben sich auch einige Voraussetzungen gegenüber der 2022 erstellten Potenzialanalyse geändert. In der Folge stellen sich aus unserer Sicht vor allem die Berechnungen der alternativen Flügelung S1 ab Beucha deutlich positiver dar. Und zwar sowohl hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Aspekte wie auch bezüglich des Fahrangebotes“, so Jesse. Der Brandiser Rathauschef kündigt an, diese Überlegungen zusammen mit Landrat Henry Graichen zeitnah in Dresden vorstellen zu wollen, um darauf aufbauend eine Lösung zu finden, die absehbar auch realisierbar sei. „Und damit deutlich schneller als die besagten Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen des Deutschlandtaktes“, so Jesse.

Auf der Strecke Brandis-Trebsen ruht der Schienenverkehr seit Ende 2006. Am 10. Dezember jenes Jahres hatte der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig die entsprechenden Leistungen abbestellt. Wenig später, am Silvestertag des gleichen Jahres, folgte auch das Ende des Güterverkehrs zwischen Seelingstädt und Trebsen, der zuletzt von der Mitteldeutschen Eisenbahn GmbH mit Sitz

Muldentalbahn: Studie liegt im Sommer vor

Mit der vor knapp 25 Jahren stillgelegten Muldentalbahn zwischen Großbothen über Colditz nach Rochlitz wird derzeit eine zweite Strecke im Landkreis Leipzig auf ihre Reaktivierungsmöglichkeiten hin geprüft. Vor etwa einem Jahr wurden diesbezüglich die Arbeiten an einer Vorstudie aufgenommen, mittlerweile ist Ministeriums-Referentin Kathleen Brühl zufolge die Datenerhebung abgeschlossen. Aktuell werde davon ausgegangen, dass die Studie im Sommer vorliegen wird. Je nach dem Ergebnis werde dann über das weitere Vorgehen entschieden.

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Dieser Artikel erschien in der LVZ.

Verkehr | | 13.05.2024

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